Emotionale Blockaden und stabile Persönlichkeitsentwicklung: 5 Fragen an Heiko Kaths.
Highlights
April, 2022, 4 Min
Heiko Kaths ist als Senior Consultant und Coach seit 2009 bei der EL-NET GROUP aktiv. Als studierter Wirtschaftsinformatiker verfügt er über langjährige Erfahrungen als IT-/Unternehmensberater unter anderem in den Bereichen Organisations- und Prozessberatung sowie Entwicklungsbegleitung.
Da für ihn der Mensch wichtiger wurde als Maschinen, steht heute die Unterstützung von Menschen in der Arbeitswelt im Fokus seiner beruflichen Tätigkeit. Dabei identifiziert er mit seinen KlientInnen berufliche Ziele und nutzbare Potenziale, um dann gemeinsam den Weg bis zur Ziellinie auszuarbeiten und zu beschreiten. In seiner Arbeit mit Menschen ist ihm die individuelle Herangehensweise und der Umgang auf Augenhöhe besonders wichtig.
Wir haben mit Heiko Kaths über emotionale Blockaden in Auffanggesprächen und in der Beratung sowie über die Relevanz der Persönlichkeitsentwicklung gesprochen. Welche Ängste und Sorgen im Trennungsprozess üblicherweise auftreten und welche Hilfestellungen er Mitarbeitenden und Organisationen gibt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
5 Fragen an Heiko Kaths
Der nachstehende Text basiert auf einem digital geführten Interview.
Heiko, als Berater im Outplacement begleitest du Mitarbeitende bei Auffanggesprächen oder Informationsgesprächen. Warum ist es gerade hier so wichtig, deine KlientInnen auf emotionaler Ebene abzuholen?
In Auffanggesprächen ist es meine Aufgabe, als neutraler Berater die betroffenen Mitarbeitenden direkt nach Ausspruch des Trennungswunsches durch den Arbeitgebenden, in einem vertraulichen Vieraugengespräch stabilisierend zu unterstützen. Viele Betroffenen fühlen sich im ersten Moment als hätte man ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen. Individuell kann das zu starken Gefühlsregungen, wie großer Wut, tiefer Trauer, Hilflosigkeit oder auch Verzweiflung führen.In diesen Fällen ist das Abholen auf emotionaler Ebene sehr wichtig, um die Klienten zu stabilisieren und sie im Verlauf des Gespräches für erste positive Perspektivgedanken und mögliche Unterstützungsangebote zu öffnen.
Informationsgespräche gibt es hingegen im Rahmen von Angeboten für freiwillige Aufhebungsverträge inklusive Outplacement Beratung. Dabei können sich Mitarbeitende mit Outplacement BeraterInnen vertraulich über das Beratungsangebot und mögliche Perspektiven am Markt austauschen. Auf Grundlage dessen entscheiden sie sich für Annahme oder Ablehnung des Arbeitgeberangebotes. Obwohl es auch hier zu stärkeren Gemütsregungen kommen kann, hat das emotionale Abholen überwiegend eine andere Qualität. Beim Informationsgespräch ist es das Ziel, möglichst schnell mit KlientInnen eine Vertrauensebene zu finden, um wahre Wünsche, Hemmnisse und ggf. Blockaden zu identifizieren.
Welche Ängste und Sorgen machen sich deine KlientInnen häufig in Zusammenhang mit beruflichen Veränderungen oder gar einer beruflichen Neuorientierung?
Konkret höre ich häufig Äußerungen, wie: „Ich bin doch schon zu alt! Mich will doch keiner mehr! Woher soll ich denn wissen, ob ich woanders noch Fuß fassen kann? Und was soll ich machen, wenn ich woanders weniger verdiene? Wer garantiert mir denn, dass es nach einer Veränderung nicht schlechter wird? …“ Im Prinzip geht es meistens um die ganz natürliche Angst vor dem Ungewissen, die gegebenenfalls durch unsere gesellschaftliche Vollkasko-Prägung noch weiter befeuert wurde. Dabei wird oft vergessen, dass kein Risiko einzugehen häufig das größte Risiko ist. So sind mir in meinem Leben schon oft Menschen begegnet, die auf einem für sie unpassenden Arbeitsplatz oder in einem ungesunden System saßen, aber lieber weiter im Strudel der Krankheit versanken, als sich ein neues Umfeld zu suchen. Meistens haben die betroffenen Personen schon häufig in diese für sie befreiende Richtung gedacht, jedoch konnten sie sich nicht zu einer Entscheidung durchringen und alles ging weiter seinen gewohnten Gang. Wichtig ist zu verstehen, dass die natürliche Angst vor dem Ungewissen einen guten Zweck hat und von uns akzeptiert sowie genutzt werden sollte. Das ist durchaus Teil unserer Arbeit im Informationsgespräch sowie im späteren Beratungsprozess.
Welchen Stellenwert haben Emotionen im Beratungsprozess der Outplacement Beratung?
Hier kommen wir an ein für mich sehr wichtiges Thema. Emotionen sind unbewusste Handlungsprogramme, die Veränderungen auf körperlicher Ebene aufgrund irgendeines Auslösers verursachen. Auslöser können dabei in meiner Gedankenwelt („Oh Gott, ich werde arbeitslos!“) oder in der Umwelt (ein wütendes Gesicht einer Führungskraft) erscheinen. Die körperlichen Veränderungen könnten bei z.B. Angst u.a. höhere Herz- und Atemfrequenz, kältere Haut und weit aufgerissene Augen sein. Die Emotion initiiert meist ein unbewusstes und oft in früher Kindheit erlerntes Verhaltensmuster, um ein für die Emotion spezifisches, uns in dem Moment jedoch unbewusstes Bedürfnis zu befriedigen. Gefühle hingegen sind das bewusste Wahrnehmen und Interpretieren dieser körperlichen Zustände. Diese emotionale Kompetenz ist ein wesentlicher Baustein für die Persönlichkeitsentwicklung. Wer hier schon fortgeschritten ist, dem ist das Wahrnehmen der eigenen Gedanken- und Gefühlswelt sowie der persönlichen Verhaltensmuster bewusster. Die Person weiß, was sie wirklich mag/ablehnt, kann sich besser einschätzen und vor allem selbst besser zielgerichtet steuern. Es führt zu einem Heraustreten aus einem unbewussten Reiz-Reaktionsmuster und zum Entwickeln einer zielgerichteten Entscheidungs- und Handlungskompetenz.
Was hat das jetzt mit Outplacement Beratung zu tun? Da sich die Mehrheit noch nicht mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt hat, ist es gut, BeraterInnen an der Seite zu haben, die Verhaltensmuster und körperliche Veränderungen bei bestimmten Themen erkennen und diese wohlwollend thematisieren. So verraten etwa leuchtende Augen, was die eigentliche Wunschtätigkeit wäre, auch wenn die Person selbst es bewusst nie geäußert hätte. Ausweichverhalten oder bestimmte Körperreaktionen zeigen wunde Punkte auf, die in der Vorbereitung für ein Vorstellungsgespräch bearbeitet werden sollten. Teilweise werden auch Blockaden deutlich, die eine Annäherung an das gewünschte Ziel erschweren oder unmöglich machen.
Welche Methoden und Fähigkeiten wendest du an, um (emotionale) Blockaden aufzulösen, abzumildern oder zu umgehen?
Das Wichtigste ist, erstmal zu identifizieren, dass der Zielerreichung scheinbar etwas im Wege steht und dieses dann mit dem Klienten oder der Klientin zu thematisieren. Bereits durch das Ansprechen holt man die Blockade an die Oberfläche, wodurch Sie bearbeitbar wird. Dann wird häufig etwas Psychoedukation betrieben, damit die KlientInnen verstehen, wie wichtige Prozesse im Menschen ablaufen. Sie merken, dass sie ganz ‚normal‘ sind und erkennen selbst, dass es Handlungsmöglichkeiten und Ansätze gibt, um die Blockaden aufzulösen. Je nachdem, wie tief diese Blockade ist, kann man durch Veränderung des Selbstbildes, Glaubenssatzänderungen oder Bewusstmachung von bewiesenen Ressourcen der Blockade zu Leibe rücken. In Ausnahmefällen hatte ich es auch schon, dass wir in leichter Trance über Affektbrücken eine mentale Zeitreise zum Zeitpunkt der Blockaden-Entstehung gingen. Hier konnten wir durch eine nachträgliche, rein mentale Ereignisveränderung die Blockade auflösen.
Die Methoden hängen stark vom Wunsch der KlientInnen und dem Methodenkoffer der BeraterInnen ab. Was natürlich jede/r BeraterIn benötigt, ist das Gespür für Menschen und Emotionen.
Welche Tipps hast du für eine stabile Persönlichkeitsentwicklung?
Alles was Achtsamkeit fördert ist hilfreich. Ganz gleich ob MBSR, Meditation, autogenes Training etc. – wichtig ist nur, dass wir beginnen, denn es braucht ein wenig Zeit, bis sich die neuronalen Verschaltungen dafür aufgebaut haben. Des weiteren sind für die Eigenreflexion alle Kurse und Bücher zu empfehlen, wo der Fokus auf uns persönlich oder auf die allgemeine Funktionsweise von Menschen gerichtet ist. Hilfreich ist auch, wenn wir die Nähe von Menschen suchen, die eine für uns positive Entwicklung gezeigt haben. Wenn das in der realen Welt nicht möglich ist, können wir ihnen über Literatur und YouTube nah kommen.
Auch eine Outplacement Beratung kann der Persönlichkeitsentwicklung sehr zuträglich sein. Fast immer haben sich die KlientInnen, bei denen es aufgrund von bestimmten Umständen herausfordernder war, eine neue Position zu finden, im Nachhinein sehr positiv über ihren persönlichen Entwicklungsweg geäußert. Ein gemeinsamer Weg, bei denen der Klient oder die Klientin als Mensch, mit all seinen Eigenschaften, Kompetenzen, Erfahrungen etc. im Fokus der gemeinsamen Arbeit steht, kann viel zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen.
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