Female Recruiting und Executive Search in Zeiten von Frauenquote und Gender-Gerechtigkeit: 5 Fragen an Mary Kettenbeil.
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Januar, 2022, 4 Min
Mary Kettenbeil ist seit 2009 bei der EL-NET GROUP tätig und als Senior Research Consultant insbesondere im Recruiting Bereich aktiv. Ihr Schwerpunkt liegt in der Suche von ManagerInnen und ExpertInnen für mittelständische Unternehmen und Großkonzerne aus dem Maschinen- und Anlagenbau, dem Automotive und Mobility Umfeld sowie aus der Logistik und IT.
Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf dem Bereich des Female Recruitings, in dem sie seit über 10 Jahren das Team der EL-NET GROUP unterstützt. Die Nachfrage nach BeraterInnen, die Unternehmen beim professionellen Gewinnen von hochqualifizierten Frauen unterstützen, ist nach wie vor hoch, denn: Firmen sind sehr daran interessiert, Diversity Recruiting zu betreiben, verfügen oft aber nicht über die entsprechenden Kapazitäten sowie zeitlichen Ressourcen.
Wir haben mit Mary Kettenbeil über die Relevanz einer vielfältigen und offenen Unternehmenskultur gesprochen. Darüber hinaus haben wir sie nach ihrer Herangehensweise im Executive Search gefragt. Welche Tipps sie weiblichen Nachwuchskräften und Führungskräften im Recruiting Prozess gibt, erfahren Sie hier.
5 Fragen an Mary Kettenbeil
Der nachstehende Text basiert auf einem digital geführten Interview.
Die deutsche Wirtschaft braucht mehr weibliche Nachwuchskräfte. Was können Unternehmen tun, um die eigene Kultur so zu gestalten, dass sie auch für weibliche Nachwuchskräfte und Führungskräfte attraktiv und gerecht wird?
Gerade die deutsche Wirtschaft sucht weiterführend nach weiblichen Nachwuchskräften und Führungskräften. Warum? Zum einen liegt das am Fachkräftemangel – auch mitunter in den MINT-Berufen. Viele Unternehmen versuchen, die Fachkräftelücke in diesen Berufen über einen höheren Frauenanteil zu konterkarieren. Zum anderen liegt es an der Quote, die Organisationen erfüllen wollen. Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen sowie öffentliche Unternehmen sind angehalten, die Frauenbeteiligungsquote im Vorstandsbereich durch die Zielsetzung über null umzusetzen. Von dem her ist der Wunsch da, weiterführend Frauen in den Führungsebenen zu installieren.
Was Unternehmen tun können, um Frauen auf unterschiedlichsten Ebenen im Betrieb zu platzieren? Gerade bei weiblichen Nachwuchskräften, die vielleicht noch jünger sind und noch keine Familie gegründet haben, spielt das Thema „wie werde ich weiterqualifiziert“ eine große Rolle. Sie legen Wert auf Weiterbildungsmöglichkeiten und achten darauf, inwieweit sie unter einem bestimmten Führungsstil der vorgesetzten Führungskraft die Möglichkeit haben, sich zu entfalten. Auch Themen, wie Arbeitsplatzsicherheit oder das Gesundheitsmanagement – sprich, was bietet das Unternehmen – spielt bei ihnen eine große Rolle. Frauen wiederum, die bereits Familie haben, legen großen Wert auf die Vereinbarkeit. Sie wollen einer herausfordernden Tätigkeit nachgehen und das mit ihrem Familienleben verbinden können. Hierbei ist wichtig, dass eine Firma eine Unternehmenskultur hat, die diese weibliche Karrieremöglichkeit fördert – dass das Unternehmen eine familienfreundliche Unternehmenskultur lebt, flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmöglichkeiten bei Bedarf sowie Remote Arbeit anbietet und auf die individuellen Lebenssituationen eingeht.
Auch sollten Betriebe sich als attraktiver Arbeitgeber darstellen. Sie sollten gezielt auf die Personalentwicklung achten. Darauf, in welchen Positionen Frauen beschäftigt sind und wie diese weitergebildet und qualifikationsadäquat beschäftigt werden können. Da gehört es auch dazu, die Interessen und Kompetenzen der Mitarbeiterinnen wahrzunehmen und Möglichkeiten zu eröffnen, sich in anspruchsvolle Tätigkeiten hineinzuentwickeln und Potenziale mitzuunterstützen.
Vorgesetzte und HR sollten mehr und intensiver mit Frauen in Führungspositionen um deren Weiterentwicklung reden, circa das 1,5-fache im Vergleich zu Männern.
Arbeiten Frauen häufiger unter ihrem Qualifikationsniveau im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen?
Es gibt in der Tat vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung eine Studie vom Februar 2021, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die besagt, dass Frauen häufiger als Männer unterhalb ihres formalen Qualifikationsniveaus arbeiten. Aus meiner Sicht als Researcherin in der Personalberatung ist die Wahrnehmung anders. Wenn ich mit Frauen spreche – sei es in MINT-Berufen, sei es im Bereich Personal, Öffentlichkeitsarbeit oder im Marketing – und mir deren Lebensläufe anschaue, dann ist das Qualifikationsniveau der Annahme passend eingestuft. Diese Frauen-Vitas, die ich bekomme, gehen alle in die richtige Richtung. Was sein kann ist, und das ist auch der Vergangenheit geschuldet, dass Frauen teils Familie und Karriere noch immer nicht für möglich halten und daher trotz Studienabschluss nicht die Ambitionen besitzen, eine steile Karriere anzustreben. Das wird sich in meinen Augen zukünftig wandeln, da es mehr und mehr Ausgleichsmöglichkeiten geben wird, Familie und Karriere zu vereinbaren.
Andererseits ist schon zu beachten, dass bei sozialen, erzieherischen und pflegerischen Tätigkeiten, bei so genannten geschlechtstypischen Berufen, zum Teil aufgrund unterschiedlicher institutioneller Regeln und arbeitsorganisatorischer Logiken unterschiedliche / weniger Aufstiegschancen gegeben sind.
Ein geschlechterstereotypes Denken ist antrainiert. Es gibt Rollenbilder, die es aufzuweichen gilt. Die soziale Erwünschtheit dahingehend muss weiterführend gelernt und gelebt werden.
Gibt es Unterschiede in der Herangehensweise des Executive Search zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften?
Das würde ich auf jeden Fall bejahen – alleine schon in der Ansprache. Frauen schauen bei einer neuen Position eher, inwieweit sie die Anforderungen des Positionsprofils erfüllen. Wenn das nicht zu über 60 Prozent mit ihren Qualifikationen und Kompetenzen übereinstimmt, sind sie überwiegend zögerlich, sich auf eine Stelle zu bewerben. Bei Männern liegt der Prozentsatz lediglich bei 40 Prozent. Dementsprechend versuche ich bei einem Positionsprofil, das an die Kandidatinnen geht, Eckpunkte auf das Wesentliche zu beschränken. Bei den Beschreibungen, Kompetenzen oder den Fähigkeiten, die gefragt werden, ziele ich auf kommunale Begrifflichkeiten ab, etwa teamorientiert, verantwortungsbewusst, kommunikationsfreudig.
Auch ist im gesamten Recruiting Prozess bei weiblichen Kandidatinnen der Wunsch vermehrt, den Dialog sehr transparent, authentisch und offen zu führen. Frauen wollen ganz klar verstehen, wie flexibel der neue Arbeitgeber ist, welches Arbeitszeitmodell das Unternehmen hat und ob sie in das Gehaltsgefüge passen. Es geht im Recruiting Prozess sehr um Beziehungsarbeit – das muss für die Kandidatinnen wirklich wahrnehmbar gelebt werden.
Wie können sich Frauen in karriererelevanten Netzwerken präsentieren, um ihr Know-How sowie ihre Qualifikationen in einem männerdominierten Umfeld herauszustellen?
Die richtigen Netzwerke machen mehr als 50 Prozent des beruflichen Erfolgsfaktors aus – soll heißen: Netzwerken, sich sichtbar machen, Personal Branding sind nicht optional, sie sind essenziell, um die eigene Karriere erfolgreich zu fördern. Auch ist es wichtig, dass mehr und mehr Frauen über die Zeit in relevante und einflussreiche Positionen hineinkommen. Zudem haben größere Unternehmen, mit denen ich spreche, Diversity Recruiting Abteilungen. Auch da sitzen Frauen und über diese Wege haben Frauen die Möglichkeit, andere Frauen, die ambitioniert sind, zu fördern und in adäquate Positionen zu bringen. Allgemein gilt natürlich, sowohl die fachlichen als auch die Soft Skills herauszuarbeiten und in den Profilen anzuzeigen, um in den Netzwerken gefunden zu werden. Ich denke, dass Frauen sogar einen Vorteil weiterführend haben werden, weil es nicht nur um technische Qualifikationen geht, sondern auch um eben diese Soft Skills, die vermehrt gefragt sind.
Ich glaube, Frauen haben Stärken in der Kompromissorientierung und Lösungsorientierung und können dahingehend ihre Profile und Netzwerke füllen. Ja, die fachlichen Kompetenzen, die Hard Skills, sind wichtig und relevant, aber die technische Qualifikation in Verbindung mit den Soft Skills ist aus meiner Sicht der Schlüssel für die Zukunft. Von dem her können Frauen durch ihre Fähigkeiten in den Netzwerken nur gewinnen.
Welchen Tipp gibst du weiblichen Führungskräften im Recruiting Prozess?
Kundtun was die Karriereambitionen sind – ob innerhalb des Unternehmens oder im Netzwerk! Und diese Ambitionen und Bedürfnisse mit einer stärkeren Selbstverständlichkeit im Recruiting Prozess klären und proaktiv nachfragen, etwa welche Weiterbildungsmöglichkeiten es gibt. Alle wichtigen Themen einfach selbstbewusst und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit vortragen.
Auch ist es wichtig, sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen, in denen gegebenenfalls das eigene fachliche Können nicht vollständig dem Stellenprofil gleicht. Sich selbst zutrauen, im eigenen Unternehmen den nächsten Karriereschritt zu gehen oder wiederum in den Netzwerken aktiv werden. Und wenn es beruflich nicht so vorangeht wie geplant, weiter dranbleiben.
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