Komfortzone verlassen: 5 Fragen an Brunhilde Keidel
Highlights
Dezember, 2022, 3 Min
Im Coaching und in der Outplacement-Beratung kann Brunhilde Keidel auf über 20 Jahre Erfahrung als HR-Generalistin mit eigener Führungsverantwortung und profunde Expertise im Executive Search zurückgreifen. Gerade ihr gesammeltes Wissen aus der Begleitung von sehr komplexen Veränderungsprozessen sowie die Zusammenarbeit mit Menschen in diversen Verantwortlichkeiten befähigen sie, sie engagiert bei ihrer Entwicklung zu unterstützen und in Veränderungsprozessen zu begleiten.
Wir haben Brunhilde Keidel gefragt, warum es manchen Menschen schwerer fällt, ihre (berufliche) Komfortzone zu verlassen. Wie sie KlientInnen zu Veränderungen ermutigt, welche Methoden sie in Veränderungsprozessen anwendet und welche Tipps sie Führungskräften und Personalverantwortlichen gibt, die ihre Mitarbeitenden aus der Komfortzone führen wollen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
5 Fragen an Brunhilde Keidel
Der nachstehende Text basiert auf einem digital geführten Interview.
Brunhilde, in der Outplacement-Beratung begleitest du viele Menschen in Veränderungsprozessen. Inwiefern äußern sich Unterschiede bei Personen, die freiwillig ihre Komfortzone im Beruf verlassen wollen zu denen, die sie unfreiwillig – etwa in Form einer betriebsbedingten Kündigung – verlassen müssen?
Menschen verbinden mit dem Begriff Komfortzone primär ein gewohntes (Arbeits-)Umfeld, bekannte Tätigkeiten im Berufsleben oder auch Situationen und Aufgaben, die in unseren Alltag gehören. Dieses vertraute Terrain gibt uns Sicherheit und ist wichtig für uns Menschen. Veränderungen, die neue Denk- und Verhaltensweisen brauchen, lehnt unser Gehirn daher zunächst ab, da sie mit weniger angenehmen Gefühlen, wie z.B. Angst und Unsicherheit, einhergehen. Dennoch finden in unserem Leben immer wieder Veränderungen statt. Das Verharren in der Komfortzone ist daher kaum möglich. Insbesondere persönliche Entwicklungen und Ziele erreichen wir nur außerhalb unserer Komfortzone.
Menschen, die ihre Komfortzone bewusst verlassen, entscheiden sich aus ganz bestimmten Gründen für etwas „Neues“. Sie entscheiden sich aktiv, ein Unternehmen zu verlassen, um sich auf ein neues Ziel zuzubewegen. Wohin die Reise gehen soll, ist oft noch nebulös, sie stecken aber schon im Entwicklungsprozess. Dagegen sind Menschen, die z.B. eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, mit der Veränderung oft überfordert. Sie haben für den Umgang mit dieser Situation i.d.R. keine Verhaltensmuster, auf die sie zurückgreifen können. Hier gilt es als Beraterin dieser Situation und den damit verbundenen Emotionen Aufmerksamkeit und Raum zu schenken. Erst danach gilt es, den KlientInnen andere Blickwinkel, Ideen und konkrete Schritte erkennbar zu machen. Sobald der Klient oder die Klientin die nötige Distanz zur Kündigung verkörpert, können bestehende Wahlmöglichkeiten erfühlt und erarbeitet werden. Der Prozess der Neuorientierung steht dann mit der erforderlichen Motivation im Fokus – für viele KlientInnen oft eine wirklich aufschlussreiche und bereichernde Erfahrung.
Warum fällt es vielen Menschen schwer, (beruflich) die Komfortzone zu verlassen?
Auf diese Frage pauschal zu antworten ist mir nicht möglich, da jeder Mensch anders reagiert. Meine Aufgabe ist es, die Stellschrauben bei den KlientInnen zu finden, um die Vorteile aufzuzeigen und Gewohnheiten zu brechen, die nicht mehr guttun.
Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass Menschen, die ihre Komfortzone häufiger verlassen und positive Erfahrungen damit gesammelt haben, leichter mit Veränderungen umgehen und die jeweiligen Chancen erkennen. Damit will ich aber keinesfalls sagen, dass Veränderungen nicht auch kritisch hinterfragt werden dürfen. Jedoch fehlt vielen Menschen das Bewusstsein und die Erfahrung, dass durch das Verlassen der Komfortzone ein neuer Raum für Erfahrungen und Entwicklungen geschaffen wird. Insbesondere Mitarbeitende im Lebensalter 50+, die oft viele Jahre für ein Unternehmen gearbeitet haben, identifizieren sich sehr stark mit „ihrer Firma“. Daher sind hier die Ängste und Sorgen besonders groß, dass der Arbeitsmarkt keine weiteren Berufschancen mehr bietet. Doch das trifft in dieser Pauschalität nicht zu. Meine zahlreichen Erfahrungen in der Begleitung von Fach- und Führungskräften sowie valide Reports und Statistiken zu Vermarktungschancen verdeutlichen, dass die „50+-No-Chance-Aussage“ nicht stimmt. Natürlich gibt es Arbeitsmärkte und Firmen, die tatsächlich weniger erfolgversprechend für bestimmte Personengruppen sind. Ich will hier nichts schönreden. Das Alter allein ist aber nicht das entscheidende Kriterium, ob es sich lohnt, sich neuen Zielen und Aufgaben zu stellen. Gerade bei Bewerbungen gilt es, die eigene Signatur sowie die eigenen Stärken gezielt und selbstbewusst zu vermarkten.
Wie ermutigst du Personen, die von Umstrukturierungen betroffen sind, ihre Komfortzone zu verlassen?
Unverzichtbar ist ein geschützter Raum für das Gespräch und eine möglichst hohe eigene Authentizität. Bildlich gesprochen geht es darum, die KlientInnen einzuladen, die Fenster einmal aufzustoßen, ohne springen zu müssen. Also Denk-/Gewohnheiten zu brechen und sich erlauben können, etwas Neues auszuprobieren. Mir persönlich ist es dabei wichtig, mit Respekt und Fingerspitzengefühl Fragen aufzuwerfen oder Tools anzuwenden, die für meine KlientInnen hilfreich sind, ehrliche Antworten für sich zu finden. Je nach Situation geht es darum, KlientInnen ins Nachdenken oder Fühlen zu führen. Ich denke, meine KlientInnen spüren, dass ich hier keine Marionette bin, die sie dazu bringen oder manipulieren will, die eine oder andere Entscheidung zu treffen. Meine Wahrnehmungen und Überzeugungen bringe ich sehr offen in meine Gespräche ein, ebenso mögliche Konsequenzen, die ein Verharren in der Komfortzone mit sich bringen. Ist das gegenseitige Vertrauen aufgebaut, wird es spannend. Neue Fragen und Aspekte liegen auf dem Tisch, durch die meine KlientInnen sehr oft ganz neue Erfahrungen sammeln und konstruktiv zu ihrer bestmöglichen Entscheidung finden. Das schätzen meine KlientInnen sehr, gerade, wenn es um die weitreichende Frage geht: Gehen oder bleiben?
Die berufliche Neuorientierung eröffnet neue Chancen in der individuellen, beruflichen Weiterentwicklung. Was macht deine unterstützende Beratung dabei so besonders?
Professionalität im gesamten Prozess, ein gut gefüllter Handwerkskoffer und ein zeitgemäßes Wissen, wie die jeweiligen Arbeitsmärkte funktionieren. In der beruflichen Weiterentwicklung bzw. Neuorientierung fühle ich mich zuhause. Meine Erfahrungen aus der internen Personalarbeit mit all ihren Prozessen und Strukturen, mein Know-how aus dem Personalberatungsgeschäft, meine zahlreichen Möglichkeiten für und mit unterschiedlichen Branchen und Kulturen zu arbeiten sowie meine Coachingpraxis sind ein guter Mix für dieses Aufgabenfeld.
Wirklich entscheidend ist für mich die innere Haltung, ein wirklich echtes Interesse an Menschen und an ihren Denk- und Handlungsmustern. In der Neuorientierung sind persönliche „Reife“ und die Fähigkeit, Wissen und Intuition zu nutzen, genauso wichtig wie meine Stärke. Zu Menschen unterschiedlichster Couleur in der Beratung und im Coaching ein Vertrauensverhältnis herzustellen und aufrecht zu erhalten, ist dabei essenziell und fällt mir leicht.
Last but not least geht es darum, zu Beginn der Beratung konkrete Ziele zu formulieren. Der Auftrag muss für alle Seiten klar sein. Rollen und Verantwortlichkeiten sind festzulegen, damit passende Fortschritte erzielt werden. Humor und professionelle Nähe sind dabei oft hilfreich.
Welche Tipps gibst du Führungskräften und Personalverantwortlichen, die ihre Mitarbeitenden aus der Komfortzone führen wollen?
Die Anforderungen sind breit. Was für die eine Führungskraft passt, ist für eine andere komplett falsch. Da kommen sehr unterschiedliche Aspekte ins Spiel.
Führung fängt bei sich selbst an. Ich wage zu behaupten, dass stärker reflektierte Führungskräfte die besseren Voraussetzungen haben, ihr Team aus der jeweiligen Komfortzone zu holen. Führungskräfte, die ihre „innere Landkarte“ kennen, klar in ihrem Verhalten sind und den Wert ihrer eigenen Entwicklungsschritte kennenlernen konnten, werden von MitarbeiterInnen aus meiner Wahrnehmung als authentischer erlebt, genießen mehr Vertrauen und Sie verfügen über „Standing“. Von daher lade ich Führungskräfte immer wieder ein, sich ein möglichst gutes Bild von sich zu machen, sprich die eigenen Bewertungen und die damit einhergehenden Gefühle zu Situationen, zu Menschen und ihre eigenen Motivatoren möglichst gut zu kennen. Es ist wichtig, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie diese Themen zusammenspielen und sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Bringt die Führungskraft ein solches Know-how ein, ebnet sie den Weg für ihre MitarbeiterInnen, Neuland betreten zu können und zu wollen und sichert langfristig den Erfolg.
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