Vorruhestand und achtsame Führung: 5 Fragen an Thomas Malburg.
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Oktober, 2021, 6 Min
Thomas Malburg ist seit 13 Jahren als Berater und Senior Consultant bei der EL-NET GROUP aktiv. Er bietet unter anderem Coachings zum Thema Selbstmarketing und speziell auch zum Thema Berufung an. Dass sich Personen insbesondere in privaten und beruflichen Neuorientierungen hinterfragen und nach einem erfüllten und sinnstiftenden Leben streben, erlebt er regelmäßig in seiner Beratungstätigkeit. In Einzel- und Gruppen-Seminaren geht er als Coach, „Erinnerungs-Helfer“ und BerufungsBerater auf die beruflichen und persönlichen Potenziale seiner KlientInnen ein und reflektiert gemeinsam mit ihnen Fragen nach der Sinnhaftigkeit, Sinnstiftung und einer erfüllenden und freudvollen beruflichen Verwirklichung.
Wir haben mit Thomas Malburg über das Thema nachberufliche Sinnerfüllung in der dritten Lebensphase gesprochen, darüber, welche Gemeinsamkeiten ihm im Hinblick auf das berufliche Wirkungsfeld altersübergreifend begegnen und warum Personalverantwortliche durch mehr Achtsamkeit ihre Mitarbeitenden besser fördern und unterstützen können.
5 Fragen an Thomas Malburg
Der nachstehende Text basiert auf einem digital geführten Interview.
Thomas, Unternehmen arbeiten gerne mit dir zusammen, wenn sie etwa ihren Mitarbeitenden im Vorruhestand Alternativen und Perspektiven aufzeigen möchten. Inwiefern bietest du in diesem Bereich deine Unterstützung an?
Viele Menschen ab 55 Jahren bereiten sich, zumindest geistig, auf den nahenden Ruhestand oder auf eine Altersteilzeit vor. Wohnt man Smalltalk-Runden bei, höre ich meist heraus, dass sich die Mehrheit auf ihren Ruhestand freuen. Häufig ist aber auch die Wahrnehmung, dass es den angehenden VorruheständlerInnen nicht so ganz wohl in ihrer Haut ist und sie insgeheim mehr Angst haben vor dieser Zeit als sie sich selbst und vor allem auch anderen eingestehen möchten. Die Befürchtung, in ein emotionales Loch zu fallen bereitet vielen meiner KlientInnen bereits vorab Sorge.
Meine Beratung zielt darauf ab, mit diesen Menschen ganz bewußt hinzuschauen und einige Lebensbereiche daraufhin zu untersuchen, wo es besonders viel Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und gegebenenfalls besondere Fürsorge und Hinwendung braucht. Dabei schauen wir auf die Arbeit, das nachberufliche Engagement, die Partnerschaft und Familie, Freizeit und Freunde, Körper und Gesundheit sowie Glaube und Spiritualität. In meinen Seminaren, erhalten die Teilnehmenden die Gelegenheit, in einer wohlwollenden und gleichgesinnten Atmosphäre gemeinsam ihre Gedanken, ihre Ideen, aber auch Ängste und Befürchtungen miteinander zu teilen. Jeder kann für sich Szenarien entwickeln, die helfen, diesen Teil des Lebens wirklich zu einer freud- und sinnerfüllten Zeit werden zu lassen.
Warum profitieren Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen von Outplacement 55Plus?
Hat das Unternehmen eine grundsätzlich gute und soziale Gesinnung gegenüber seinen Mitarbeitenden und sieht diese auch als das wichtigste Potenzial an, dann sollten solche Seminare und/oder Beratungen eine Selbstverständlichkeit sein. Sowas sollte quasi zum festen Bestandteil einer gesunden „Personal-Entwicklung“ gehören. Aus meiner Erfahrung ist es so: wenn Menschen schon mit Mitte 50 gute Ideen haben, wie sie ihren Lebensabend gestalten könnten, dann tut das allen gut – auch nicht zuletzt dem Unternehmen. Durch die Beratung 55Plus sind die betroffenen Mitarbeitenden erfahrungsgemäß bis zum Ende ihrer Arbeitszeit „ganz dabei“ und erzielen bis zuletzt „gute Leistungen“. Letzteres sollte aber nicht das vorrangige Ziel eines Unternehmens sein, sondern das Wohlergehen der Mitarbeitenden und Menschen an sich!
Du sagst, du unterstützt in deiner Beratungstätigkeit Personen 55Plus. Dein ältester Klient war 85 Jahre alt. Welche Bedarfssituation haben Menschen in ihrem dritten Lebensabschnitt oder genauer gesagt in solch hohem Alter – was ist hier der Motivationsantrieb?
Als BerufungsBerater begleite und unterstütze ich Menschen zwischen 15 und 85 Jahren beim Suchen, Finden und Gehen ihres angemessenen persönlichen und berufungslichen Lebensweges! Ich arbeite mit jungen Menschen, die vor oder nach ihrem Schulabschluss stehen und nicht genau wissen, wo die Reise für sie hingehen soll. Ich arbeite aber eben auch mit wesentlich älteren Menschen, wie den damals 85-jährigen Dr. A. S. Er war promovierter Philosoph und Theologe und insgesamt recht „vergeistigt“. Seine Motivation war, dass das Leben spannend und inspirierend ist, der Lernprozess wirklich niemals zu Ende geht und er eben auch noch als Mann Mitte 80 von anderen und jüngeren Personen lernen konnte und wollte. All diese verschiedenen Zielgruppen haben bezüglich meines Beratungskontextes eines gemeinsam: Das Thema Berufung! Es ist gleichsam ein Gefühl, eine innere Haltung, ein tiefer Wert. Jeder hat eine Idee, aber meist keine wirklich klare Vorstellung davon.
In deiner Beratungstätigkeit triffst du aber nicht nur auf Führungspersonen im fortgeschrittenen Alter, sondern auch auf junge Menschen, die noch ganz am Beginn ihrer Karriere stehen. Welche Gemeinsamkeiten erfährst du in der Outplacement Beratung altersübergreifend im Hinblick auf das berufliche Wirkungsfeld?
Circa 40-50% der jungen Menschen, ob Auszubildende oder Studierende, brechen nach ein bis zwei Semestern ihren ersten Versuch oder ihre erste „Laufbahn“ ab. Der Grund ist meist: „Das ist oder war einfach nicht das Richtige für mich!“ Sie haben oft große Sorge, dass sie sich für etwas entscheiden (müssen), was sie dann mehr oder weniger ein Leben lang verfolgt, sie unglücklich oder gar arbeits- und mittellos werden. Das wirklich passende Wirkungsfeld oder gar die Berufung zu finden ist ein sehr großes Thema in dieser Zielgruppe.
Auf der anderen Seite haben wir EOPC-KlientInnen, die Anfang-Mitte-Ende Fünfzig sind, die oft an einem kritischen Wendepunkt in ihrer Karriere angekommen sind und die sich nochmals verändern wollen oder eben auch müssen. Zum großen Teil möchten diese KlientInnen etwas ganz anderes machen. Sie wollen weder in der alten Branche bleiben, noch in der gleichen Funktion. Man muss natürlich sagen, dass die Mehrheit der EOPC-KlientInnen im Einzel-Outplacement nicht freiwillig diesen Schritt antreten. Ob nun ein Veränderungs- oder Auflösungs-Angebot oder eine direkte und persönliche Ansprache ob eines etwaigen Aufhebungsvertrages mit Abfindung und im besten Fall mit einer (Garantie-)Beratung – Frust, Verletzung und Scham stehen zuerst im Vordergrund. Die Trennungsgründe sind schließlich eher einseitig und für Betroffene nicht immer direkt nachvollziehbar.
Gemeinsam haben diese verschiedenen Zielgruppen zum einen diese tiefe Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung, zumindest den Bewussteren und zum anderen auch die Besorgnis und Unsicherheit, ein halbes Leben lang etwas zu tun, was sie nicht wirklich erfüllt.
Selbstverwirklichung wird im beruflichen Kontext immer häufiger erwartet. Viele Menschen streben nach Selbstständigkeit und mehr Eigenverantwortung. Gleichzeitig stehen Führungspersonen und Leitende eines Unternehmens oft vor dem Problem, dass BerufseinsteigerInnen sich scheuen, Verantwortung zu übernehmen. Wie können Vorgesetzte mit Mitarbeitenden umgehen, die keine Verantwortung übernehmen wollen?
„New Work“ heißt das Stichwort! Die Zukunft wird so einiges an Veränderungsprozessen befördern. Vertrauensarbeitszeit, Vertrauens-Urlaubszeit, noch mehr Homeoffice – den MitarbeiterInnen der Zukunft werden ganz andere Dinge abverlangt. Es geht zunehmend in Richtung „UnternehmerInnen im Unternehmen“, eben deshalb mit mehr (Selbst)Verantwortung. Viele (junge) Menschen haben das aber nie wirklich gelernt. Darum wollen sie oft keine Verantwortung auf sich nehmen. Selbstverwirklichung ja, aber (Selbst)Verantwortung lieber nicht. Verantwortung kann (und sollte) nur jemand übernehmen, der sich ganz bewusst und gerne einer neuen Aufgabe stellt und auch gerne neue persönliche Herausforderungen annimmt. Am besten einer Aufgabe, die mit Sinn und Freude verbunden ist und die im besten Fallen nachhaltig und zum Wohle aller ist. Es ist an den Unternehmen selbst, die Unternehmensziele und ebensolche Werte so zu gestalten, dass die MitarbeiterInnen, zumal die jüngeren, auch solche Ziele und Werte dort finden. Eine „fördernde Führung“ kann nur dort geschehen, wo man das im Blick hat.
Zusatzfrage:
Auch ist es die Verantwortung von Personalverantwortlichen, auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einzugehen. Wie sollten Führungskräfte mit Mitarbeitenden umgehen, bei denen sie das Gefühl haben, dass sie überarbeitet oder mit einer Situation überfordert sind?
Ein großer und angsteinflößender Begriff der vergangenen Jahre ist Burnout. Viele Menschen brennen immer mehr aus, seelisch-psychisch und auch körperlich. Es sollte oberstes Gebot von Unternehmen sein, für das ganzheitliche Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu sorgen. Auch der Begriff Personalentwicklung bekommt eine völlig neue Bedeutung. Vor dieser sollte erst mal die Organisationsentwicklung stehen, aus deren werthaltiger Gesinnung das Personal, sprich die Mitarbeitenden im besten Sinne und ganzheitlich „entwickelt“ werden könnten und sollten. Gerade junge und neue MitarbeiterInnen müssen lernen und hineinwachsen dürfen, wie das geht mit der (Selbst)Verantwortung. Dazu braucht es gute Vorbilder und Menschen, die zeigen, dass und wie es geht.
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